Ursachen und Wandel familialer Armut in Deutschland, 1962 bis 2009

Eine theoretische und empirische Analyse

Bearbeitung: Mara Boehle
Leitung: Prof. Dr. Christof Wolf
Wissenschaftlicher Arbeitsbereich: Dauerbeobachtung der Gesellschaft (DBG)

Projektbeschreibung

Die Entscheidung über Kinder und deren Anzahl gilt heute gemeinhin als zentrales Element sozialer Ungleichheit. Kinder führen nicht nur zu Wohlstandseinbußen, sondern stellen auch immer öfter ein armutsauslösendes Moment dar. So sind Familien − obwohl laut Grundgesetz „unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ stehend − eine immer zentralere, ja fast schon „traditionelle“ Risikogruppe der Armut. Während das politische wie öffentliche Bewusstsein für die Risiken familialer Armut (erst) in jüngerer Zeit gewachsen ist, hat sich der Anteil armer Familien in der Bundesrepublik bereits seit den 1970er Jahren erhöht und seit einigen Jahren auf einem überdurchschnittlichen Niveau verfestigt. Bislang liegen jedoch keine Studien vor, die in befriedigender Form erklären, weshalb es zu diesem Sachverhalt kam. Die empirische Forschung bearbeitet das Thema bislang deskriptiv und ohne Theoriebezug oder konzentriert sich in kurzfristigen Zeitvergleichen auf einzelne, vorwiegend (lebenslaufbezogene) individuelle Determinanten.

Das DFG-Projekt untersucht systematisch die Gründe für die zeitliche Persistenz bzw. den Anstieg des überdurchschnittlich hohen Armutsrisikos familialer Lebensformen seit den 1960er Jahren bis heute. Dieses erfolgt unter Zugrundelegung eines theoretischen und empirischen Mehrebenenmodells, das die ökonomische Situation von Familien als Funktion individueller und struktureller Faktoren im Zusammenspiel mit zeitlichen Veränderungen der deutschen Sozialstruktur begreift. Anknüpfungspunkte sind die sich in diesem Zeitraum ereignenden ökonomischen, (inner-)familialen, demografischen und politisch-institutionellen Wandlungsprozesse − wie die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die Veränderung der Familienformen, die Zunahme kinderloser Paare und die Umgestaltungen des sozialpolitischen Unterstützungssystems. Zentrale Fragen lauten: Zu welchen Teilen ist die Zunahme familialer Einkommensarmut auf strukturelle und zu welchen Teilen auf individuelle Einflussgrößen zurückzuführen? Hat sich deren Einfluss im Zeitverlauf gewandelt? Und welche relative Rolle spielen die sich im Beobachtungszeitraum ergebenen Kompositionseffekte, wie etwa die Zunahme des Anteils Alleinerziehender und kinderloser (Doppelverdiener-)Paare?

Die Hypothesen des Projektes werden auf Basis von (um Makroindikatoren ergänzte) Mikrozensusdaten der Jahre 1962 bis 2009 überprüft. Die lange Zeitreihe und die Breite an Analysemerkmalen des Mikrozensus-Trendfiles ermöglichen die Untersuchung (langfristig) veränderter Einflussfaktoren; durch die Auskunftspflicht und die repräsentativen jährlichen Stichproben kommt es (im Vergleich zu anderen Datenquellen, wie SOEP oder EVS) zu keiner Unterrepräsentation einkommensschwacher Haushalte und Personen; die Größe der Stichprobe bietet zudem die Möglichkeit zu differenzierten Subgruppenanalysen.

Projektlaufzeit

01.05.2011 - 31.10.2014

Gefördert durch